info-parkour.de | 09.04.2010: »Great Expectations«
09.04.2010: »Great Expectations«
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Mediensozialisation und den individuellen Erwartungen an die Arbeitsbedingungen?
Momentan gibt es ja eine Flut von Veröffentlichungen darüber, wie das Internet unser Denken und Handeln verändert. Diese betreffen vor allem die sogenannte »Generation Y«. Manche Publikationen sprechen sogar davon, dass das Gehirn derjenigen, die mit dem Internet groß geworden sind, regelrecht anders verdrahtet sei. Ob dies nun stimmt oder nicht, lasse ich mal dahingestellt.
In Bezug auf die Arbeitswelt lassen sich aber folgende Punkte festhalten: Junge Erwachsene sind es gewohnt, sich im Internet überall einbringen zu können. Sie erleben keine oder wenig Grenzen, was den Zugang zu Informationen oder auch direkte Einflussnahme angeht. Entscheider in Unternehmen sind aber meist noch in einer Kultur groß geworden, die von Hierarchien und Begrenzungen geprägt war. Als Berufsanfänger erlebten sie selbst: »Wissen ist Macht.« Es galt sich mühsam hochzuarbeiten. Für seine Leistung wurde man dann mit Einfluss, Zugang zu Informationen und natürlich Geld belohnt. Wenn wir heute ein Problem haben, posten wir die Frage einfach bei Facebook, Twitter oder in einem spezifischen Forum und freuen uns über die besten Lösungsvorschläge. Wir kollaborieren mit anderen. Ein durchschnittlicher Geschäftsführer oder Vorstand würde niemals auf die Idee kommen, andere öffentlich um Rat zu fragen. Ein wesentlicher Punkt ist also, dass Absolventen den restriktiven Umgang mit Informationen nicht kennen. Auf der anderen Seite ist für Unternehmen die transparente und kollaborative Arbeitsweise der Nachwuchskräfte noch unbekannt oder in die gewohnten Arbeitsabläufe schwer zu integrieren.
»Ohne Fleiß, kein Preis!« hörten viele der heutigen Entscheider von ihren Eltern und ersten Arbeitgebern. Arbeit war demnach immer mit Mühe und großer Anstrengung verbunden, Spaß hatte man zu Hause. Junge Leute wollen aber bei der Arbeit Spaß haben. Darunter verstehen sie vor allem, interessante Herausforderungen und einen großen Gestaltungsspielraum zu haben.
Grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass die beiden Generationen fundamental unterschiedliche Sicherheitskonzepte verfolgen. Während Sicherheit für die Älteren fest mit beruflichem Erfolg assoziiert ist, suchen sich die Jüngeren in einer immer stärker dynamisierten Gesellschaft alternative Sicherheitskonzepte, die eher auf verlässliche soziale Beziehungen und sinnstiftende Tätigkeit auch außerhalb des Berufs abzielen.
Diese Gegenüberstellung ist in Reinform vermutlich nirgendwo zu finden. Als Interaktivagentur pflegen wir natürlich schon durch die tägliche Beschäftigung mit dem Thema Internet eine Kultur, die sich vom Großkonzern unterscheidet. Und doch spüren auch wir die veränderten Prioritäten und Herangehensweisen junger Mitarbeiter.
Was ist das Besondere an »Great Expectations«?
Great Expectations ist zunächst einmal keine Recruitingveranstaltung. Es gibt also keine langatmigen Präsentationen, die die Vorzüge des Unternehmens in das rechte Licht rücken sollen. Dafür gibt es einen offenen Austausch zwischen Entscheidern und Studierenden. Es geht darum voneinander zu lernen. Ich denke, dass Studierende nur selten die Möglichkeit haben, etwas über die Werte und Einstellungen derjenigen zu erfahren, die ihre zukünftigen Vorgesetzten stellvertretend repräsentieren. Dies gilt natürlich umgekehrt genauso für die Unternehmensvertreter. Wir wissen, dass wir mehr über die Motive der Studierenden lernen müssen.
Wie gestaltet sich der Ablauf des Events?
Am Vormittag werden wir nach einer kurzen Einführung in das Thema daran arbeiten, die unterschiedlichen Werte und Erfahrungen transparent zu machen. Dabei werden die Studierenden und die Unternehmensvertreter zunächst unter sich bleiben und anschließend ihre Gruppenergebnisse vorstellen. Am Nachmittag werden wir dann in gemischten Gruppen versuchen, gemeinsam praktische Ansätze zu finden. Die genaue Themenstellung hängt natürlich von den Ergebnissen des Vormittags ab. Möglich wäre, gemeinsam zu überlegen, wie beispielsweise der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen könnte, um die Potenziale der »Generation Y« optimal in ein Unternehmen und seine Prozesse einzubinden.
Welche Ziele werden mit der Veranstaltung verfolgt?
Wir möchten natürlich herausfinden, ob die vermeintlichen Generationsunterschiede tatsächlich so prägnant sind, wie es in zahlreichen Publikationen dargestellt wird. Letztlich soll Great Expectations aber dabei helfen, dass angehende Absolventen und Unternehmen einfach besser aufeinander vorbereitet sind. Wenn wir es schaffen, tatsächlich ein paar konkrete neue Ideen zu entwickeln, wäre das sicher besonders wertvoll.
Worin besteht der Anreiz für Studenten/Absolventen, an einem Workshop wie »Great Expectations« teilzunehmen?
Ich denke, dass Studierenden meist nicht bewusst ist, welche Werte und Motive gewachsene Unternehmensstrukturen tatsächlich prägen. In einem Praktikum spricht man über Aufgaben, Anforderungen, meinetwegen noch Prozesse. Aber wann bekommt man schon mal die Gelegenheit, von einem Geschäftsführer zu erfahren, was ihn eigentlich in seinem Berufsleben motiviert und welche Grundüberzeugungen hinter seinem beruflichem Erfolg stehen? So mancher Berufseinsteiger läuft hochmotiviert los und knallt in der Unternehmensrealität plötzlich an eine gläserne Wand. Da kann es nur hilfreich sein, wenn man diese Erlebnisse besser einordnen kann, auch um Dinge konstruktiv zu verändern.
Wie kam es zu der Unterstützung des Career Center der Universität Hamburg? Wie sieht diese konkret aus?
Ich fand es sinnvoll, wenn die Veranstaltung auch durch eine sozusagen »neutrale« Instanz begleitet würde. Das Career Center war sehr angetan von der Idee und sofort bereit, uns in der Ankündigungsphase und noch viel wichtiger bei der Moderation zu unterstützen. Unternehmen wie auch Absolventen stehen ja häufig unter dem gefühlten Druck, sich gut zu verkaufen. Ich hoffe, dass Christiane Eiche vom Career Center uns dabei helfen kann, einen offenen Austausch und konkrete Ideen zu erreichen.
Wie kam die Kooperation der drei mitwirkenden Unternehmen zustande? Welcher Nutzen besteht aus der Sicht der Veranstalter?
Wie immer kommt so eine Kooperation über persönliche Beziehungen zustande. Wir hatten die Idee und fanden, dass Grabarz & Partner als klassische Werbeagentur und das Softwareunternehmen Coremedia mit ihrer jeweiligen Arbeitsweise und Kultur die Veranstaltung inhaltlich bereichern würden. Beide waren sehr interessiert an dem Thema und haben sofort zugesagt. Darüber freuen wir uns sehr!
Wie ist man in den beteiligten Unternehmen auf die Problematik der verschiedenen Erwartungen von Studenten/Absolventen und Arbeitgebern aufmerksam geworden?
Das kann ich natürlich zuverlässig nur für SinnerSchrader beantworten. Zunächst gab es da nur ein diffuses Gefühl aus dem direkten Kontakt mit Studierenden und Neueinsteigern. Irgendwas tut sich hier, irgendwas ist anders. Über die Zeit wurde deutlich, dass vor allem das Bedürfnis nach sinnstiftender Tätigkeit, Gestaltungsfreiraum und vor dem Hintergrund der Finanzkrise auch nach Sicherheit sehr viel wichtiger geworden ist. Daraufhin habe ich begonnen zu recherchieren und bin auf diverse Studien und Publikationen gestoßen, die ebenfalls in diese Richtung weisen.
Nach welchen Kriterien werden die Teilnehmer der Veranstaltung selektiert?
Es geht uns hauptsächlich um eine ausgewogene Mischung an Fachrichtungen. Jede Fachlichkeit hat wiederum ihre eigene Kultur. Daher möchten wir vermeiden, dass eine einzelne Fachdisziplin dominiert.
Werden die Ergebnisse der Diskussion dokumentiert und für mehr als die 30 teilnehmenden Studenten/Absolventen zur Verfügung stehen?
Wir werden auf jeden Fall in unserem Community-Blog radicalmonday.de die Ergebnisse für alle zusammenfassen.
Welche brancheninterne Resonanz gibt es auf die Event-Ankündigung?
Schwierige Frage. Wir haben zwei Unternehmen gefragt, und die haben sofort zugesagt. Was alle anderen dazu gesagt hätten, weiß ich natürlich nicht. Ich weiß nur, dass wir inzwischen sogar Anfragen von anderen Personalern haben, die auch gern mit dabei wären. Great Expectations scheint also durchaus einen Nerv zu treffen.
Wird es zukünftig verstärkt notwendig sein, den Austausch zwischen Arbeitgebern und potenziellen Arbeitnehmern kontinuierlich fortzusetzen? Wenn ja, warum?
Für alle Unternehmen, die auf hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind, ist dies notwendig. In naher Zukunft wird der War for Talents sehr viel härter werden. Es gibt einfach nicht genügend Nachwuchs. Besser also, man stellt sich schleunigst darauf ein und findet Wege, für Arbeitnehmer aller Altersklassen attraktiv zu sein, ohne dabei dabei seine Profitabilität aufs Spiel zu setzen.
Wird es Folgeveranstaltungen geben?
Das hängt natürlich ein bisschen vom Verlauf der ersten Veranstaltung ab. Allerdings sind wir bereits im Gespräch über eine weitere Ausgabe von Great Expectations im Oktober an der Uni Hamburg.
Vielen Dank für das Gespräch.
[März 2010]
Workshop »Great Expectations«
09.04.2010, 10-18 h
SinnerSchrader, Völckersstraße 38, Hamburg/OttensenAnmeldung bei Yvonne Neubauer
E-Mail: y.neubauer{ ÄT }sinnerschrader.de
Anmeldeschluss: 26.03.2010weitere Infos: www.radicalmonday.de
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