Führung und Familie – geht das?
Agenturarbeit gilt allgemein als familienfeindlich. Stimmt das eigentlich? Tatsächlich gibt es Bereiche, in denen eine Teilzeittätigkeit nur sehr schwer zu realisieren ist. Aber ob Job und Familie zusammen funktionieren, hängt nicht nur vom Aufgabengebiet ab. Dies wird auch in dem folgenden Text deutlich, den Jutta Bögemann für radicalmonday verfasst hat.
„Ich arbeite seit fast 10 Jahren bei SinnerSchrader, bin Bereichsleiterin in der Technik, habe zwei Kinder und arbeite Teilzeit (80%).
Ich arbeite vier Tage in der Woche, davon zwei Tage Vollzeit und zwei Tage bis 15.30 Uhr. Zu den restlichen Zeiten bin ich per Mail und telefonisch erreichbar. Außerdem erledige ich einen Teil meiner Arbeit abends, wenn meine Kinder schlafen.
Damit es funktioniert, ziehen allerdings viele Menschen gemeinsam mit mir an einem Strang.
Mein Mann, der Vollzeit arbeitet, und ich stimmen unseren Terminkalender immer eng aufeinander ab. So sind für mich auch Kundentermine außerhalb Hamburgs oder Termine über mehr als einen Tag möglich. Wir wechseln uns mit dem Hinbringen und Abholen der Kinder ab und versuchen möglichst gleichberechtigt für unsere Kinder da zu sein. Die Wochenenden sind eine komplett arbeitsfreie Zone für die ganze Familie.
Für die Betreuung nach der Schule und dem Kindergarten haben wir eine wunderbare Tagesmutter (eher Tagesfamilie). Sie sind oft bereit, sich auf unsere Arbeitszeiten einzustellen und ich weiß, dass meine Kinder nicht als letztes Kind neben einer Erzieherin vor dem Kindergarten stehen, weil ich mal eine Viertelstunde später komme.
Wenn alle Stricke reißen, nehme ich meine Kinder auch mal mit zu SinnerSchrader. Das genießen sie jedes Mal sehr (vor allem das Kickern und die Snackbox).
Um eine Führungsposition in Teilzeit zu schaffen, ist auf jeden Fall viel Vertrauen notwendig. Vertrauen von SinnerSchrader in mich, dass ich die Aufgaben, die zu meiner Verantwortung gehören, erfülle und Zusagen einhalte. Vertrauen von mir in meine Kollegen, dass sie mir meine Abwesenheit nicht übel nehmen oder mich deshalb übergehen. Die Hauptherausforderung in Teilzeit ist meiner Meinung nach, die Aufgaben des Tages zu priorisieren und wichtige Dinge immer so schnell wie möglich zu erledigen. Neben aller Effizienz, die das erfordert, darf aber auch das Gespräch mit den Kollegen nicht zu kurz kommen, denn jede Führungskraft braucht ein gut funktionierendes Netzwerk. Deshalb achte ich darauf, jeden Mittag Zeit für ein Mittagessen mit Kollegen oder einen gemeinsamen Kaffee zu haben.
Die Art, wie sich die Arbeitswelt in den letzten Jahren verändert hat, macht eine Führungsaufgabe aber auch eher möglich. Inzwischen ist physische Anwesenheit nicht mehr den ganzen Tag erforderlich, weil viele Informationen digital sind. Ich kann Unterlagen ebenso gut zuhause wie im Büro lesen und muss mir keine vollen Aktenordner mit nach Hause nehmen. Durch das iPhone, E-Mail und Twitter bin ich auch zu Zeiten zu erreichbar, in denen ich nicht in der Agentur bin. Manchmal sogar besser, weil ich nicht von Termin zu Termin hüpfe.
In den letzten Jahren habe ich durch meine Familie und meine Arbeit sehr viel Positives gelernt. Als Mutter übernehme ich eine große Verantwortung, aus der ich mich nicht herausstehlen kann. Das Gleiche gilt auch für eine gute Führungskraft. Außerdem habe ich im Alltag eine größere Gelassenheit entwickelt. Ein Leben mit Kindern ist nicht detailliert planbar, mein Arbeitsleben auch nicht. Seit ich das für mich akzeptiert habe, fällt es mir leichter mit Terminkollisionen oder einem Berg von Anforderungen umzugehen.
Insgesamt ist mein Alltag ein ständiger Spagat zwischen den beiden Welten Familie und Arbeit. Ich empfinde diesen Spagat als Bereicherung, habe meistens das Beste aus beiden Welten. Meine Kinder relativieren die Herausforderungen meiner Arbeit und haben einfach ganz andere Bedürfnisse. Ich weiß aber ganz genau, dass ich die Zeit mit meinen Kindern ohne meine Arbeit nicht so genießen könnte.“